Die Entscheidung, ob man den Sonntag alleine oder zusammen mit „Schatz“ im Sattel verbringt, birgt Konfliktpotential. Denn wenn es Menschen schaffen, sich beim Einräumen einer Spülmaschine in die Haare zu kriegen, ist das Risiko bei zweiprozentigen Steigungen exponentiell größer. Wie schafft man es, dass das Rad nicht zum Beziehungskiller wird? Eine Typologie der #CyclingCoupleGoals.

Text: Anke Eberhardt, Fotos: Julian Rohn

Das Radfahren als Paar genießen

Kaum zu glauben, aber in einem früheren Leben bin ich Mountainbike gefahren. Wobei ich den Großteil der Zeit damit verbracht habe, den Rücken meines damaligen Boyfriends am Horizont kleiner werden zu sehen. Ich weiß nicht, was größer war: die Wut, wenn er generös ein paar Kurven zurückgefahren kam, um mich zu fragen, ob alles okay ist, nur um dann gleich wieder davonzuziehen.

Oder das lebende Klischee einer Frau zu sein, die sich von ihrem Typen zu einem Hobby überreden lässt, bei dem sie durchweg hinterherhechelt. Und wenn einmal nicht genug Abstand zwischen herrschte, dann garantiert dicke Luft.

Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass besagter Freund ein guter war! Die Beziehung überaus harmonisch... bis zu dem Moment, wenn Fahrräder ins Spiel kamen. Und das ist bei vielen Paaren nicht anders. Denn Radfahren ist ein Sport, der nicht nur Fitnessunterschiede, sondern auch menschliche Abgründe gnadenlos offenbart. Beim Lieblingsmenschen – und bei einem selbst.

Der Stärkere ist schuld. Immer.

Als schwächerer Teil des Duos muss ich eingestehen, dass es der stärkere Part eigentlich nie richtig machen kann. Die Schuld ist durch die Kraft der Waden quasi untrennbar mit ihm oder ihr (meistens leider: ihm) verbunden. Selbst bei einem befreundeten Paar, bei dem der ehemalige Radprofi immer höllisch darauf achtet, auch ja keinen Zentimeter zu viel Vorsprung zu seiner Herzallerliebsten entstehen zu lassen und liebevoll bei Anstiegen die Hand auf ihren verschwitzten Rücken legt und den Schiebe-Turbo einschaltet, wird früher oder später diskutiert, ob der Abstand zu groß, die Runde zu lang oder die Durchschnittsgeschwindigkeit zu hoch war.

Die Ausnahmen der Regel

Zum Glück kenne ich auch einige Beispiele, bei der die Frau die Bürde der Schnelligkeit trägt. „Klar, es ist schon von Vorteil, wenn der Streitpunkt nicht darin liegt, ob man überhaupt aufs Rad darf, sondern dass sie nicht ‚nur‘ 4 sondern lieber 7 Stunden fahren will“, hat es ein männlicher Bekannter mal zusammengefasst.

Dass ein anderer argumentieren musste, warum er seine Partnerin auf der Rückreise eines missglückten Urlaubs nicht oben am Großglockner einsammeln könne, weil seine gebrochene Schulter in der Armschlinge und der drohende Entzug des Führerscheins gegenüber ihrer Lust auf Höhenmeter dann doch das letzte Wort hätten – das hat mich zugegeben sehr glücklich gemacht. Es gibt eben bei beiden Geschlechtern Menschen, die für Endorphine über die Emotionen ihrer Liebsten gehen.

Um auch darin etwas Positives zu sehen, kann ich jedem radfahrenden Single nur empfehlen, auf Fahrrad-Dates zu gehen. Unvergessen bleibt ein Morgen im Dezember, als ich mit Knieschmerzen auf meinem Gravelbike und er mit zu leichter Bekleidung auf einem Rennrad, bei kuscheligen 6 Grad in den ersten Anstieg gingen. Und als Monsieur es sich (oder mir?) beweisen musste, dass er problemlos davonziehen kann, habe ich ihm bewiesen, dass ich auch n-o-c-h langsamer fahren kann. Genüsslich in Zeitlupe den Berg hinauf, in der Gewissheit, dass der Egomane gerade oben steht und in seinem Frühlingsoutfit friert, weil er irgendwann eben doch auf mich warten muss. In solchen Momenten kann durch ein Fahrrad wertvolle Lebenszeit für ein zweites oder drittes Date gespart werden!

Das Radfahren als Paar genießen

Die Pragmatischen

Ganz anders handhabt es die Fraktion, die nicht jede Leidenschaft teilen muss, um das Leben mit jemandem zu teilen. Und die, ähnlich wie Schnarcher getrennte Schlafzimmer haben, schlichtweg auf getrennte Freizeitgestaltung setzt. Oft durchläuft so eine Übereinkunft allerdings dieselben Höhenschwankungen wie eine Fahrradtour. Denn auch wenn der radabstinente Part theoretisch weiß, dass es kein Zeichen mangelnder Liebe ist, wenn der andere das Fahrrad vorzieht, bleibt oft ein Rest Eifersucht auf Carbon, Alu oder Stahl. Und im Schlafzimmer ein Seufzen der anderen Art, weil sich ihm oder ihr der Sexappeal von Trägerhosen immer noch nicht erschließt.

Die Einhörner

Dass aber auch Paare existieren, die zusammen entspannte Kaffeefahrten machen – und beide damit glücklich sind, macht Hoffnung. Oder die gemeinsam Ultradistanzrennen fahren, ohne den anderen mit seinem Biwaksack zu ersticken. O-Ton einer Bekannten zum ersten Ultra mit ihrem Freund: „Wenn man 2.700 Kilometer und 50.000 Höhenmeter am Stück fährt, hilft es total, wenn man sich so gut kennt, dass man sofort weiß, in welcher Verfassung der andere gerade ist.“ Da kann man sich vorstellen, wie die Flitterwochen einmal aussehen werden.

Selbst der Redakteur eines deutschen Fahrrad-Magazins, der mit seiner Frau auf einem Rennrad-Tandem mit Highend-Ausstattung unterwegs ist, weil sie ansonsten niemals das gleiche Tempo fahren könnten, hat eine funktionierenden Lösung für beide gefunden.

Die Grundregeln

Egal ob man sich nun mit moderaten Geschwindigkeiten oder in der Blutschwitzerfraktion bewegt, eigentlich sind die Regeln beim gemeinsamen Radfahren immer dieselben:

  • Der Schnellere kann langsamer fahren, aber der Langsamere nicht schneller.
  • Ein Streit über die Länge, Intensität (oder was auch immer) einer Tour, ist in den meisten Fällen gar kein Streit über eine Tour. Es geht eben oft gar nicht ums Radfahren. Oder die Spülmaschine. Das Fahrrad ist nur ein guter Katalysator für ohnehin existierende Schieflagen.
  • Hobbys getrennt voneinander auszuüben, heißt nicht, dass eine Beziehung schlechter ist.
  • Hobbys gemeinsam auszuüben heißt nicht, dass eine Beziehung besser ist.
  • Zeit auf seinem Fahrrad verbringen zu wollen, heißt nicht, dass man keine Zeit mit seinem Partner verbringen will.
  • Menschen, mit denen man gut Radfahren kann, sind nicht automatisch Menschen, mit denen man eine Beziehung führen kann.
  • Menschen, mit denen man nicht gut Radfahren kann, sind nicht automatisch Menschen, mit denen man keine Beziehung führen kann.
  • Es ist großartig, wenn man dieselben Dinge liebt.
  • Aber man muss nicht dieselben Dinge lieben, um einander zu lieben.
Das Radfahren als Paar genießen

Das Happy End

Es gibt ein Internet-Meme, auf dem man zwei Beinpaare sieht, die eng umschlungen unter der Bettdecke hervorlugen – beide mit Fahrradsocken-Bräunungsrändern. Und wahrscheinlich würden das die meisten Fahrradliebhaber als #couplegoal bezeichnen. Aber ob man nun gemeinsam fährt, oder sich zum Boxenstopp auf der Hütte trifft und der eine kommt mit dem Rad, der andere mit der Gondel. Ob man manchmal langsamer zusammen und manchmal schneller allein fährt. Ob der Mensch, mit dem man am liebsten Rad fährt, gar kein Mensch, sondern ein Hund ist: ein Fahrrad macht ein Doppel zum Trio. Ob die Dreiecksbeziehung funktioniert, oder gar zum Quartett wird, liegt allein an der Umsetzung.

Diesen Artikel teilen