Text und Fotos: Anke Eberhardt aka @anke_is_awesome

Hätte man mich vor ein paar Jahren gefragt, wie ich die Schaltung an meinem Gravelbike finde, wäre meine Antwort gewesen: „Drückste den einen Hebel wird’s leichter, drückste den anderen Hebel wird’s schwerer.“ Schalten und Bremsen waren für mich wie Atmen: wenn man’s nicht macht, wird’s gefährlich, aber im Normalfall nimmt man es gar nicht wahr. Aber was könnte man besser wahrnehmen, als sich plötzlich mal NICHT die Lunge aus dem Leib zu schnaufen?

So geschehen, als ich den letzten Sommer in Portugal verlängert und mich dummerweise für eine Location entschieden habe, wo man unter 1.000 Höhenmetern gar nicht erst vor die Tür geht. Oder besser gesagt: nicht ich habe mich dafür entschieden, sondern ein befreundeter Fahrradprofi aus England, der dort das „The Goats“-Ultra-Rennen fahren wollte und mich (wie auch immer) dazu überreden konnte, zu Trainingszwecken eine Woche früher anzureisen. Also: er Training, ich Urlaub. Wobei die Definition von „Urlaub“ nach einem Blick auf die Höhenprofile der geplanten Touren in meinem Komoot-Profil durchaus fragwürdig erschien.

Die Serra da Estrela (portugiesisch für „Stern-Gebirge“) ist der westlichste Teil des Iberischen Scheidegebirges und kann sich damit rühmen, den höchsten Punkt des portugiesischen Festlandes und das einzige Skigebiet des Landes zu beherbergen. Deswegen wird bei der Portugalrundfahrt regelmäßig mit Rennrädern zum Alto da Torre auf 1.993 Meter Höhe gesprintet. Und deswegen fahren Leute dort mit Gravelbikes Ultra-Rennen. Und exakt hier hat die GRX maßgeblich dazu beigetragen, dass ich nicht ultra-frustriert über meine mangelnde Fitness war, sondern es umgekehrt in Gegenden geschafft habe, in denen Offroad-Motorradfahrer nicht fassen konnten, dass eine Frau tatsächlich absichtlich dort ist und so etwas freiwillig mit dem Fahrrad macht. (An dieser Stelle nochmal Danke für das Foto der Touristin, Jungs!)

Wenn es in einer Gegend eigentlich nie eben ist, sondern es entweder bergauf oder bergab geht, ist mehr nämlich wirklich mehr. 12-fach statt 11-fach hat bei mir dafür gesorgt, dass der gefürchtete Moment, wenn man bei Anstiegen aufs größte Ritzel schalten will und dann merkt, dass man schon längst im leichtesten Gang ist, wesentlich öfter ausgeblieben ist. Umgekehrt hatte ich bei üblen Steigungen oft noch einen in petto. Frei nach dem bayerischen Bierzeltmotto: „Einer geht noch.“

Dass die Übersetzungsbandbreite bei der GRX größer ist als bei Rennrädern und bei der mechanischen 1-fach-Variante mit ihrer 10-51er Kassette sogar bis in Mountainbike-Gefilde vorstößt, habe ich ehrlicherweise von der SHIMANO-Website abgeschrieben. Hier gibt es nämlich einen Vergleich zwischen den einzelnen Gruppen

Denn wenn ich noch ehrlicher bin, schaltet mein Gehirn bei dem Zahlensalat von 31-48 und 11-34 oder 11-36 genauso auf Durchzug wie meine Mutter, wenn ich versuche, ihr den Zusammenhang zwischen dem WLAN-Router und ihrem iPad zu erklären.

Wer da ebenfalls nicht ganz durchblickt: Auch zum Thema Übersetzungsbandbreite gibt es auf den SHIMANO-Seiten natürlich einen ausführlichen Artikel.

Der Zusammenhang zwischen Pastel de Nata und gefahrenen Höhenmetern hat sich mir stattdessen schon nach der ersten Tour erschlossen. Schließlich sind die kleinen portugiesischen Blätterteigtörtchen der Grund dafür, warum mir auch bei Routen, die die meiste Zeit fernab jeglicher Zivilisation verliefen, nicht die Kraft ausging. Einfach am Frühstücksbuffet, wenn der Kellner gerade wegschaut, ein halbes Dutzend Törtchen in der Lenkertasche verstaut – und alles wird gut!

Was ich ebenfalls ohne technisches Verständnis sofort bemerkt habe: die Bremsschalthebel der neuen GRX. Also nicht, dass die alten unbequem gewesen wären. Aber die neuen sind UN.FASS.BAR. BE.QUEM! Der Katalog nennt es „ergonomisch“, ich nenne es Handschmeichelstein-komfortabel. Gerade in ruppigerem Gelände, in dem ich zwischen weidenden Schafherden hindurch gehoppelt bin, war das Gold wert wie Creme-Törtchen.

Und nachdem ich regelmäßig mit dem Hinweis „Du bist doch die YouTube-Tutorial-Tante“ zur Hilfe gerufen werde, wenn anderen Leuten mal wieder die Kette rausgesprungen ist, beruht auch das Lob der SHADOW RD+ Kettenspannung auf nichts als der Wahrheit. Schließlich kann ich mich nicht mal mehr daran erinnern, wann mir das letzte Mal die Kette abhanden gekommen ist. Und das, obwohl ich in Portugal auch einige Male den Fehler begangen habe, Abschnitte des besagten Ultra-Rennens zu fahren, die nicht als Gravel, sondern als grobes Geröll bezeichnet werden müssen. Und die Kette so: Who cares?

Da der Asphalt in der Region aber durchaus Premiumlevel hat, bin ich an manchen Tagen auch fast ausschließlich Straße gefahren. Kein Verkehr, keine Leute – da kann man es selbst als überzeugter Gravelmensch mal sanfter rollen lassen.

Anscheinend funktioniert auch die App jetzt noch smoother, um die Schaltung fein zu justieren, aber das kann ich nicht bestätigen ... weil das Ding auch ohne 1a läuft! Finde ich ja optisch schick, dass jetzt alles semi-wireless ist und dadurch der Bowdenzug weggefallen ist. Aber dass ich für diesen kompetenten Erfahrungsbericht nicht alle Features durchgetestet habe, liegt schlichtweg daran, dass ich sie bisher nicht gebraucht habe, weil auch so alles flutscht. Selber schuld, SHIMANO, selber schuld. (Als am Buffet von Pastel de Nata zu Mini-Rosinenschnecken gewechselt wurde, habe ich den Praxistest komischerweise nicht ausgelassen. Da muss man Prioritäten setzen.)

Abschließend nur noch der Warnhinweis, dass man nie ohne Ladegerät verreisen sollte, weil bei der elektronischen Di2 der Akku so lange hält, dass „manche Leute“ durchaus vergessen, das Ding irgendwann doch mal aufzuladen.

Die Tatsache, dass ich inzwischen knapp 4.000 Kilometer mit der neuen GRX gefahren bin und mich ansonsten NICHT mit den technischen Details beschäftigen musste, sondern schlichtweg einen Heidenspaß hatte, ist für mich am Ende fast das größte Qualitätsmerkmal. Und die gemeinsame Rückkehr zu Lenkertaschentörtchen somit gedanklich schon gebucht...

In diesem Sinne: Happy Cycling!

Ankes Bio:

Anke Eberhardt ist im echten Leben Journalistin, auf Instagram macht ihr böses Alter Ego @anke_is_awesome Witze über Social Media. Inzwischen dreht sie für YouTube sogar „How To fahrRad“ Bike-Tutorials, obwohl sie in ihrem Leben erst einen Schlauch gewechselt hatte. „Fake it till you make it“ trifft „look pro go slow“ – aber Hauptsache mit Spaß!

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