Flandern ist für viele Dinge berühmt: Erzählungen über harte Männer und legendäre Fahrer, die mit dem Rad in 'De Ronde' gegen die Elemente kämpfen und furchterregende Geschichten über die legendären gepflasterten 'muurs', die selbst die hartnäckigsten Fahrer an ihre Grenzen treiben. Zudem boten die Felder Flanderns eine düstere Kulisse für die Verwüstungen des Ersten Weltkriegs. Flandern ist voller Geschichten und aus diesem Grund war es für die Live Slow Ride Fast-Podcaster Laurens Ten Dam und Stefan Bolt, sowie den Gravel-Event-Organisator Paul Errington eine ideale Umgebung für eine alternative Gravel-Erkundungstour.

„SO EINEN SCHLIMMEN TAG AUF DEM RAD HABE ICH NOCH NIE ZUVOR ERLEBT. ICH WAR KURZ DAVOR, ALLE MEINE BIKES ZU VERKAUFEN."

- Paul Errington, Veteran vieler verrückter Fahrrad-Abenteuer.

Der Monat Februar ist nicht ganz ideal, um auf ungeschützten belgischen Feldern herumzualbern. Unerbittlicher Wind und Regen können die Stimmung ganz schön dämpfen. Gut, dass es zu mindestens für die Zuschauer lustig wird. Und mit dem ehemaligen Rennrad-Profi Laurens ten Dam ist es sowieso immer alles andere als langweilig.

Laurens ist diese Straßen damals als Profi auf seinem Rennrad gefahren. Er wollte die Strecke aus einer anderen Perspektive erleben, also plante er eine zweitägige alternative Flandern-Rundfahrt von Oudenaarde nach Ypern und zurück über Komoot. Stefan Bolt, die zweite Hälfte des LSRF-Podcastteams, und Paul Errington, Organisator von Gravel-Events, meldeten sich freiwillig für diese Herausforderung. Die Strecke war im wahrsten Sinne des Wortes alternativ. Das meiste, was auf der Tour geschah, sollte wahrscheinlich für immer ein Geheimnis bleiben. Aber sie überlebten und ihre Fahrräder, wenn auch nicht ihre Körper, kamen bewundernswert damit zurecht. Wir haben einige ihrer weniger glorreichen Momente für Ihr Vergnügen im Video unten festgehalten, oder Sie können die komplette Geschichte auf dieser Seite lesen.

TAG 1:

Wettlauf zur Post

Der Treffpunkt für die drei Abenteurer war Oudenaarde, der Startpunkt der Tour of Flanders Sportive. Ihre Bikes waren mit dem Nötigsten für ihre zweitägige Tour durch Gassen, Wege und Felder rund um Flandern ausgestattet. In ihren PRO Discover Sattel- und Rahmentaschen befanden sich warme Wechselkleidung, Lebensmittel und diverses Werkzeug. Die drei Männer inspizierten ihre eigene und die Ausrüstung der anderen ausführlich und fragten sich, was sie vergessen hatten oder was sie mitgebracht hatten, das unnötig schwer war.

Obwohl Laurens eine gute Route geplant hatte, stellte sich schnell heraus, dass ein Detail fehlte: ihre Übernachtungsmöglichkeiten. „Keine Sorge, das regelt sich von selbst“, waren die einzigen Worte des Trostes, die Laurens anzubieten hatte.

Und so machten sie sich mit einem leicht unbehaglichen Gefühl auf den Weg, bereit für den ersten Reisetag: 112 km über Schotterpisten und unbekannte Übernachtungsmöglichkeiten am Abend.

Wie bei jeder Route, die nur anhand einer Karte geplant wird, weiß man nie, was einen erwartet. Nicht mal 5 km von Oudenaarde entfernt wurde ihr Schotterweg schnell zu rutschig, so dass die drei Fahrer gezwungen waren ihre Räder an Steilhängen entlang zu schieben, um ihrer GPS-Route treu zu bleiben. Das Ganze setzte sich im Laufe des Morgens immer wieder fort. Es folgten kurze Schiebestrecken, gefolgt von schweißtreibendem Tempo auf dem Rad um warm zu bleiben, hauptsächlich aber um Laurens hinterherzukommen.

In den Vororten von Kortrijk tankte das Trio neue Kraft mit einer wohlverdienten Mittagspause. Dann folgte ein schneller Slalom zwischen den markanten, roten Backsteinhäusern der Region, bevor sie sich am Fuße des Kemmelbergs wiederfanden. Berühmt für seine Präsenz in Gent-Wevelgem und seinen 23% Steigungen, war es ein gemeiner Schock für schwere Beine und vollbeladenen Fahrräder. Dennoch finden in diesem Monument des Radsports in Westflandern jährlich fünf verschiedene Rennen statt, so dass man es sich nicht entgehen lassen sollte.

Nachdem sie sich den Kemmelberg hinaufgeplagt hatten, ließen sie ihre Herzfrequenz auf ein weniger kritisches Niveau zurückkehren, bevor sie über schlammige und teilweise geflutete Straßen nach Ypern weiterfuhren. Jemand schlug ein Bier vor und Sie machten sich schlammig und durchnässt auf den Weg zur nächsten Bar. Es war jedoch nicht irgendeine Bar, die sie fanden. Sie waren im "Le Rallye", Stammkneipe des Fanclubs von Rennrad-Profi Fernando Gaviria. Und als straßenmüde Radfahrer wurden sie sehr willkommen empfangen. Kaltes Bier klingt nicht nach dem besten Gegenmittel für einen kalten Tag im Sattel, aber es entfachte ihr inneres Feuer und verwandelte sich recht schnell in einen Saufwettbewerb. Zumindest beim Bierkonsum konnten Paul und Stefan endlich mit Laurens mithalten!Mit eingeschaltetem Fahrradlicht schoben die drei Abenteurer die letzten Kilometer in der Dämmerung nach Ypern. Sie wollten sich noch die „Last Post“ ansehen, eine Ehrung der Gefallenen im Ersten Weltkrieg. Die nächtliche Zeremonie findet täglich um 20:00 Uhr an der Porte de Menen statt. Nach einer bewegenden Vorführung entdeckten Stefan und Paul ihre Unterkunft, die Laurens an diesem Abend für sie ausgesucht hatte: ein Radler-Café mitten in Ypern. Es ließ das Hostel eines Rucksacktouristen luxuriös aussehen. In diesem Fall gab es keine Alternative und Sie mussten, mit Vorhängen zugedeckt, auf dem Boden schlafen. Schlaft gut, meine Süßen!

TAG 2:

Unterschätze niemals das flämische Wetter

Das Trio erwachte durch Wind- und Regenböen, die an ihr Fenster peitschten. Ohne Dusche und mit knappen Frühstücksrationen packten sie ihre Nachtausrüstung in ihre Fahrradtaschen und begaben sich auf die Rückfahrt Richtung Oudenaarde.

Die verschlafene Landschaft auf dem belgischen Land spiegelte die allgemeine Stimmung wieder. Die Bewohner Flanderns gingen ihren täglichen Aufgaben mit unbeirrter Entschlossenheit nach und arbeiteten auf ihren Feldern, trotz konstantem Nieselregen. Eine ruhige Szene, die kaum von den Männern gestört wurde, die leise auf ihren Rädern ihre Tour fortsetzten. Vielleicht war es die kalte, ungemütliche Nacht, die Auswirkungen der belgischen "Nachtmützen" oder die Notwendigkeit, Energie für die 143 km lange Rückfahrt zu sparen, aber eine gemeinschaftliche Ruhe legte sich über die Gruppe, als sie in einer steifen Brise mit stetigen Niederschlägen weiterfuhren. Der nächtliche Regen hatte die Schotterstraßen wieder in rutschige, sumpfartige Wege verwandelt. Sie mussten abermals in regelmäßigen Abständen schieben und das Vorankommen verlangsamte sich erheblich. Der Morgen verschwand in einem nebligen Gewirr aus Kopfsteinpflaster, steilen Hügeln, Mühlen und endlosen Feldern.

Nach einem langen Kampf gegen das ständig wechselnde Wetter fanden sie eine örtliche Dorfbäckerei. Perfektes Timing, um kurzzeitig der gnadenlosen Natur zu entkommen und zu checken, wie weit sie es bereits geschafft hatten.Die gute Nachricht war, dass sie in kürze die Höhepunkte der Rückreise erreichen würden. Die schlechte Nachricht war, dass zwischen ihnen und den Höhepunkten die berühmten kopfsteingepflasterten Anstiege des Paterbergs und die Rampe hoch zum Kwaremont, dem Herzstück der De Ronde, standen.

Kopfsteinpflaster sind bei Regen noch schwieriger zu fahren, aber bieten weiterhin ein spezielles Fahrerlebnis. Als sie darüber nachdachten, wie viele legendäre Radfahrer genau diesen Weg bei allen Wetterbedingungen bereits bewältigt haben mussten, wurde ihnen schnell klar, wie besonders Flandern wirklich ist. Sie konnten sich genau vorstellen, wie die Menge sie vom Straßenrand aus anfeuerten, als sie sich die Anstiege hinaufschlängelten.

Oben auf dem Gipfel des Kwaremont angekommen, galt es zuerst ihre Freude nach Tradition mit einem gleichnamigen Bier zu feiern und Laurens zuzulauschen, der eine Geschichte von damals erzählte, als er mit einem Peloton im Nacken gegen die gepflasterten Straßen kämpfte. Aktuell war er wohl der einzige, der sich noch so richtig amüsierte…

Ähnlich wie am Tag zuvor fing es wieder an früh zu Dämmern und ihre Fahrradlichter beleuchteten die letzten Kilometer bis zum Ziel. Von der Spitze des Kwaremont steht den Fahrern der Tour of Flanders eine nahezu durchgehend flache, 10 km lange highspeed Strecke bis nach Oudenaarde bevor. Obwohl sein Rad komplett mit Fahrradtaschen ausgestattet war, bewies Lorens noch einmal, dass er ein ehemaliger Rennrad-Profi ist und gab ein unglaubliches Tempo vor. Paul und Stefan waren völlig erschöpft und konnten gerade so, dicht am Hinterrad im Windschatten von Laurens, mithalten.

Im Vergleich zu einer Flandern-Rundfahrt hätte ihre Zieleinfahrt wohl kaum unterschiedlicher sein können. Niemand hat mit der Wimper gezuckt, als an diesem kühlen Winterabend drei verwahrloste Fahrer eintrafen. Eine alternative Tour in vielerlei Hinsicht.

Doch das Foto im Ziel zeigte, dass es bei dieser alternativen Flandern-Rundfahrt keine Verlierer gibt. An zwei Tagen über 250 km mit 1600 Höhenmeter und 20 kg Gepäck im Schlepptau zu überwinden ist etwas, das lang anhaltende Freundschaften und tolle Erinnerungen schafft.

Getreu der Form präsentierte Flandern den Abenteurern seine vier Jahreszeiten. Angesichts der schwankenden Wetterbedingungen und der sich ständig ändernden Straßen-Oberflächen brauchte es Entschlossenheit und Kraft, um diese Kopfsteinpflasterwege auf Gravelbikes zu bewältigen! Aber genau das zeigt, warum wir so gerne fahren. Vielleicht lieben wir nicht jede Minute, aber die Errungenschaft einer solchen Fahrt bringt ein tolles Gefühl mit sich, trotz Blut, Schweiß und vielleicht sogar ein paar Tränen, nicht wahr Paul?

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