Wie fängt man mit dem Bikepacking an? Das war die Frage, die wir der SHIMANO Gravel Alliance-Fahrerin Henna Palosaari stellten. Sie nahm ihre beste Freundin mit nach Norwegen, um die Antwort darauf zu finden.

Die erste Bikepacking-Tour

Wie fängt man mit dem Bikepacking an? Diese Frage stellen sich wohl viele. Ich denke, man lernt es am besten, indem man selbst auf Tour geht. Mein Einstieg ins Bikepacking war eine 5.000 km lange Solo-Bikepacking-Tour durch Finnland im Sommer 2020. Im vergangenen Sommer sollte dann meine beste Freundin Coco die Grundlagen des Bikepacking erlernen. Ich nahm sie also mit auf eine dreitägige Bikepacking-Tour über 225 km (+4.000 Hm) durch den Rondane-Nationalpark in Norwegen.

Die erste Bikepacking-Tour

Bikepacking mag sich erstmal anstrengend anhören, vor allem wenn man noch nie zuvor ein Gravel-Bike überhaupt nur angefasst hat. Genau das war auch Cocos Einstellung vor der Tour. Sie hatte keinerlei Erfahrung, weder mit Bikes noch Bikepacking. In einem solchen Fall sucht man sich am besten einen Freund bzw. eine Freundin mit einem Faible fürs Bikepacking und geht mit auf Tour – und so haben wir's gemacht. Ich kümmerte mich um die Planung und FARA Cycling stellte uns Gravel-Bikes und die nötige Bikepacking-Ausrüstung zur Verfügung. Nach einer 6-km-Probefahrt mit vollbepackten Rädern machten wir uns auf zu unserer Bikepacking-Mission.

Die erste Bikepacking-Tour

Tag 1

Wir hatten ursprünglich geplant, die 230 Kilometer und 4.000 Höhenmeter in vier Tagen zurückzulegen. Da wir aber länger als erwartet brauchten, bis alles zu Beginn der Reise geregelt und organisiert war, schliefen wir noch eine Nacht im Camper und fuhren am nächsten Tag früh morgens los. Wir entschieden uns, die Strecke in 66 km, 56 km und 106 km aufzuteilen, da wir wussten, dass es an den ersten beiden Tagen überwiegend bergauf gehen würde, während uns am letzten Tag eine Mischung aus Abfahrten und flachen Wegen erwartete.

Die erste Bikepacking-Tour

Bei der Planung der Strecke versuchte ich, besonders anspruchsvolle Schotterwege zu vermeiden. Das Fahren mit einem vollbepackten Bike auf einfacheren Schotterwegen (oder befestigten Straßen) schien mir für einen Anfänger ohnehin schon eine ziemliche Herausforderung zu sein! Unser erster Tag erwies sich für Coco als steile Lernkurve. Auf der Strecke gab es einen Anstieg über 1.500 Höhenmeter in der Nähe eines der höchsten Gipfel in der Gegend. Der Anstieg war zwar asphaltiert, aber da Coco noch nie – nicht einmal auf ebener Strecke – mit einem Gravel-Bike gefahren war, war der Einstieg in die Gravelwelt mit vollbepacktem Fahrrad und 1.500 Höhenmetern zu Tourbeginn für sie echt tough. Trotzdem bewahrte sie ihre gute Laune und ich sorgte für Snack-Nachschub, und so schafften wir es ohne größere Missstimmungen zum Gipfel.

Die erste Bikepacking-Tour

Nach einem anstrengenden Start wurden die Anstiege mit zunehmender Höhenlage in Rondane immer sanfter und die Aussicht auf die verschiedenen Gipfel von Rondane und andere Berge am Horizont immer atemberaubender. Endlich kam auch Coco in den Genuss der schönen Seiten des Radsports. Viele Anfänger hätten sich vor den Abfahrten gefürchtet, aber Snowboarderin Coco rief einfach nur „Ich liebe Abfahrten“, als sie die Hügel hinunterraste und dabei auf ihrem Bike absolut sicher wirkte. Die letzten zwanzig Kilometer bei wunderschönem, sanftem Abendlicht und atemberaubender Aussicht über den Atnsjoen-See vergingen wie im Flug. Wir zelteten in einem Flussbett mit Blick auf die Berge und als die Sonne unterging, belohnte uns ein wunderschöner Vollmond für unsere harte Arbeit an diesem ersten Tourtag.

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Tag 2

Coco wachte nach einer kalten, schlaflosen und schmerzgeplagten Nacht vor mir auf. Sie hatte die ganze Nacht über mit den Tränen gekämpft, weil ihre Beine so wehtaten. Als sie dann am Morgen zum Pipimachen aus dem Zelt kroch, merkte sie, dass sie kaum noch laufen konnte. Außerdem plagte sie die Sorge, wie sie mir ihre Bedenken bezüglich der Weiterfahrt beichten sollte.

Die erste Bikepacking-Tour

Ich wachte auf und begrüßte Coco mit einem fröhlichen „Guten Morgen“, ihr Gesicht verriet aber sofort, dass etwas nicht stimmte. Sie erzählte mir von der schlaflosen Nacht, den Schmerzen in den Beinen und ich verfluchte mich und meine Planung. Mir hätte klar sein müssen, dass ein derart heftiger Anstieg für den Anfang zu viel ist, wenn man noch nie Fahrrad gefahren ist. Ich versuchte, ruhig zu bleiben und meinte, wir würden den Morgen langsam angehen lassen, ein paar Dehnübungen machen, gut frühstücken und dann sehen, wie wir uns fühlen. Während des Frühstücks verzogen sich die Wolken und gleichzeitig besserte sich auch Cocos Laune. Als wir alle unsere Sachen zusammengepackt hatten, schien die Sonne und Coco tanzte. Ich war wieder guter Hoffnung, aber ich wusste, dass ich heute ein ruhiges Tempo vorlegen und viele Pausen einplanen musste.

Die erste Bikepacking-Tour

Auf den ersten 30 Kilometern, bevor wir auf einen schmaleren Schotterweg abbogen, war Coco ruhiger als sonst und ich wusste, was das bedeutete: Sie hatte Schmerzen. Wir hielten zweimal an, um ihren Sattel zu verstellen und dadurch die Schmerzen ein wenig zu lindern. Nach dem zweiten Stopp hatten wir endlich die passende Einstellung gefunden, was ihre Schultern stark entlastete und ihr das Entspannen auf dem Rad erleichterte. Dann machten wir eine längere Mittagspause, bevor wir die Fahrt ins Grimsdalen-Tal antraten.

Die erste Bikepacking-Tour

Wieder einmal wurde das Fahren einfacher, je schöner die Aussicht wurde. Der herrliche Blick auf die Berge und die abwechslungsreichen Schotterwege ließen Coco die Schmerzen schnell vergessen. Die Fahrt ins Grimsdalen-Tal war wirklich das Highlight der Tour. Es war von Anfang bis Ende eine wunderschöne Fahrt auf diesem ruhigen und flüssigen Schotterweg, und die Sonne sorgte dafür, dass wir an diesem Tag das Grimsdalen von seiner schönsten Seite erleben konnten.

Die erste Bikepacking-Tour

Von Frekmyr aus kommend war die Fahrt durch das Tal größtenteils gemütlich, nur am Ende des Tals gab es zwei längere und steilere Anstiege. Mittlerweile war Coco von den Anstrengungen des heutigen Tages erschöpft und die von den Kletterpartien am Vortag herrührenden Schmerzen machten sich wieder bemerkbar. Sie behauptet, es wäre dann die „Nacho-Power“ gewesen, die sie mit neuen Superkräften die letzten Anstiege bewältigen ließ. Diese „Nacho-Power“ hilft einem wirklich, mit allem fertig zu werden, denn wir erreichten unseren Zeltplatz mit Blick auf die Berge auf der anderen Seite von Rondane, kurz bevor die Sonne hinter den Bergen unterging. Ein perfekter Ort, um unsere letzte Nacht auf Tour zu genießen.

Die erste Bikepacking-Tour

Tag 3

Wir wachten bei Sonnenaufgang auf und erlebten einen frischen, aber herrlichen Tag. Der Bodenfrost und die vereisten Räder waren der Beweis dafür, dass unsere Entscheidung, in voller Montur zu schlafen, richtig gewesen war! Wir genossen unsere morgendlichen Haferflocken und den Kaffee in aller Ruhe und ließen uns von den sanften Sonnenstrahlen nach der eisigen Nacht aufwärmen. Coco hatte besser geschlafen und auch etwas weniger Schmerzen als am Morgen zuvor – es sah also gut aus. Am Vorabend hatte sie noch Bedenken zu unserem Vorhaben geäußert, über 100 Kilometer zu fahren, aber jetzt war sie bereit: „Vielleicht ist es das Letzte, was ich tue, aber ich werde es schaffen“, sagte sie, als wir uns wieder auf den Weg machten.

Die erste Bikepacking-Tour

Diese positive Einstellung und ihre Hartnäckigkeit sind vermutlich der Grund, warum wir beste Freundinnen sind. Der Tag begann mit einer extrem spaßigen und langen Abfahrt, genau richtig, um unsere Beine wieder in Schwung zu bringen. Wir behielten das Tempo den ganzen Tag über bei und die Kilometer vergingen wie im Flug. Ich weiß zwar nicht genau, was Cocos „Nacho-Power“ war, aber beeindruckend war sie auf jeden Fall. Ohne Probleme absolvierte sie unseren 100-Kilometer-Tag. Das war eine enorme Leistung angesichts der Tatsache, dass sie das noch nie gemacht hatte. Und Hut ab, wenn man dann noch bedenkt, dass sie zuvor schon zwei ganze Tage auf dem Rad gesessen und irgendwann so starke Schmerzen in den Beinen hatte, dass sie kaum noch laufen konnte.

Unser Wille ist wirklich unser stärkster Muskel. Zum Glück konnte mich Coco am Ende unserer Fahrt immer noch leiden und wollte sich sogar ein Gravel-Bike zulegen, sprich, unsere Bikepacking-Mission war mehr als gelungen.

Würde man Coco nach einem Fazit zu unserer Tour und allgemein zum Bikepacking fragen, wie würde das wohl lauten? Ich habe sie gefragt und das erste, was ihr in den Sinn kam, war das Leiden, aber sie sagte, es sei „ein seltsam befriedigendes Leiden“. Außerdem fand sie diese Unkompliziertheit, neue Orte mit dem Fahrrad zu erreichen und alles Nötige einfach mitzunehmen, bereichernd und toll. „Es versetzt dich in einen komplett anderen mentalen Zustand“.

Insgesamt hatte sie das Gefühl, dass es gar nicht so schwer war – man musste eben fahren und dabei die ein oder andere Unannehmlichkeit in Kauf nehmen, wurde anschließend aber mit viel Spaß belohnt. Da hat sie offensichtlich eine Menge unterwegs gelernt!

Unsere Empfehlung also: Packt eure Bikes und macht euch auf zu eurem ersten Bikepacking-Abenteuer! Ihr werdet es nicht bereuen.

Hennas Packliste für die Bikepacking-Tour: 

  • Bike: F/GRAVEL-R von FARA ausgestattet mit einer SHIMANO GRX Di2-Gruppe
  • Bikepacking-Taschen 
  • Zelt: MSR Access 2 
  • Kocher: Optimus Crux lite + Gas 
  • Schlafsack: Haglöfs L.I.M Down +1 
  • Isomatte (+ Reparaturset) 
  • Powerbank + Ladekabel  
  • Gore-tex Jacke 
  • Wanderhose 
  • Baselayer-Hose aus Merinowolle 
  • Langärmeliger Merino-Baselayer 
  • 2 Radshorts 
  • Daunenjacke 
  • 2 Merino-T-Shirts 
  • 3 Sport-BHs 
  • 3 Unterhosen 
  • 3 Paar Socken 
  • Bikinis  
  • Reisehandtuch 
  • Halswärmer + Mütze 
  • Gore-tex Handschuhe 
  • Fahrradschuhe + Sandalen 
  • Biologisch abbaubare Seife + Toilettenartikel

Reparaturwerkzeug: 

  • Klappmesser 
  • Multifunktionswerkzeug 
  • Schlauchreparaturset + Montierhebel 
  • 2 Ersatzschläuche + Minipumpe 
  • 1 Schaltauge 
  • Kettenglied + Kettennieter 
  • Kettenschmieröl 
  • Kabelbinder + Klebeband 
  • Erste-Hilfe-Set 
  • Tabletten zur Wasseraufbereitung

Die Links zu Hennas Bikepacking-Tour findest du hier: Tag 1, Tag 2 und Tag 3

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