Angesichts unzähliger Instagram-Posts von einsamen Gegenden, wildem Camping und Tausenden von zurückgelegten Kilometern könnte man meinen, dass Bikepacking ein anspruchsvolles Unterfangen ist. Der niederländische Gravel-Abenteurer Erwin Sikkens, der selbst schon viele tolle Routen erstellt hat, zeigt dir die andere Seite der Medaille und gibt dir ein paar Lifehacks an die Hand, die dein nächstes Abenteuer leichter machen.
Rahmen: Cannondale Topstone
Gruppe: GRX mechanisch 2x12
Reifen: Schwalbe G-One Overland Tubeless
Helm: Lazer Genesis
Schuhe: Shimano RX8 Gravel
Wenn du „Bikepacking“ googelst, bekommst du eine Fülle von Ratschlägen: wie du es machen solltest, wie du es nicht machen solltest, wie manche es machen und wie du es auf keinen Fall machen solltest. Packlisten. Inspirationsquellen. Listen mit den besten Bikes. Es ist alles da, und zwar reichlich. Damals, als ich mit Bikepacking-Abenteuern angefangen habe, war es noch ein bisschen anders. Ich habe etwas nachgedacht, aber nicht zu viel, die Sachen geschnappt, die ich voraussichtlich brauchen würde, die Papierkarte eingepackt und es ging los.
Jede Reise hält ihre Herausforderungen bereit, auf die ich um nichts in der Welt verzichten will. Diese ersten Fahrten haben mir alles beigebracht, was ich über Bikepacking wissen musste. Und was noch wichtiger ist: Ich habe sie nicht nur durchgestanden, sondern sie sogar so genossen, dass ich immer noch regelmäßig Bikepacking mache.
Hier gebe ich mein Wissen aus jahrelangen Fahrradabenteuern und vielen gelernten Lektionen weiter. Es sind einige Lifehacks, die ich unterwegs gelernt habe und die dir dein nächstes Abenteuer sicherlich etwas leichter machen werden.
Lifehack 1: Mache es nicht kompliziert
Meiner bescheidenen Meinung nach hängt ein erfolgreiches Bikepacking-Erlebnis ganz von der Einstellung ab. Das Schlimmste, was du tun kannst, ist die Dinge unnötig kompliziert zu machen oder den Prozess so lange zu überdenken, bis er unter der Last der Erwartungen zusammenbricht – wie eine Weihnachtsfeier, die unbedingt Freude machen soll. Überraschung: Je mehr Stress du dir vorher machst, desto stressiger wird die Reise. Mein Rat: Durchatmen und entspannen. Es wird alles gut, egal, wie viele Fehler du machst.
Lifehack 2: Denke beim Packen nicht zu viel nach
Die erste große Sache, über die du nachdenken solltest, betrifft deinen Reisegefährten: Dein Fahrrad. Sobald du es ausgewählt hast, solltest du die passenden Taschen finden, die für das Fahrrad und die Reise geeignet sind.
Bikepacking geht mit jeder Art von Fahrrad. Gravelbike, Rennrad oder Mountainbike. Sogar mit einem Citybike. Und für jede Art von Fahrrad gibt es unterschiedliche Arten und Größen von Taschen mit vielen verschiedenen Kriterien – etwa für unterschiedliche Rahmengrößen, Befestigungsarten, Gepäckträger etc. Die einfache Wahrheit lautet: Deine Taschen bestimmen, wie viel du mitnehmen kannst.
Du machst dir vielleicht Sorgen, ob du genug mitgenommen hast. Die Sache ist die: Ganz gleich, wie groß deine Tasche ist, du wirst immer irgendetwas vergessen oder Dinge mitnehmen, die du eigentlich nicht brauchst. Während der Fahrt wirst du merken, was du für jede Art von Tour wirklich brauchst.
Denke daran, es geht nicht um Perfektion. Es geht darum, einen sportlich orientierten Urlaub mit einer Prise Abenteuer zu erleben.
Lifehack 3: Es ist ein Urlaub, also verhalte dich auch so
Behandle deinen Bikepacking-Trip so wie jeden anderen Urlaub. Überlege, was dir Spaß macht, zum Beispiel einen Ort, den du magst, und was du Schönes auf dem Weg dorthin machen kannst. Nimm dir Zeit, um zu entspannen und die Speisen und Getränke zu genießen, wo auch immer du bist. Insbesondere wenn es dein erster Bikepacking-Trip ist, fährst es sich am leichtesten, wenn du es dir nicht unnötig schwer machst.
Denke darüber nach, wo das Wetter schön ist und wo du auf dem Weg gute Verpflegung findest. Und genau so wichtig für die Planung deiner Reise ist, dass du daran denkst, dass es beim Bikepacking nicht nur um viele Stunden im Sattel und lange Distanzen geht. Beim Bikepacking geht es darum, die Natur zu genießen und draußen zu sein, egal wie lange und wie weit deine Strecke ist. Auch wenn du es entspannt angehst, ist das völlig in Ordnung. Es ist dein Urlaub, also verhalte dich auch so.
Lifehack 4: Auch wenn du im Hotel übernachtest, ist es immer noch Bikepacking
Vielleicht ist dir aufgefallen, dass es immer mehr Bikepacking-Rennen gibt. Ich habe an zwei solcher Ultracycling-Events teilgenommen – und beide abgebrochen.
Schlafen ist immer ein wichtiger Bestandteil, besonders, wenn man tagsüber im Sattel sitzt. Ultrarennen sind bekannt dafür, dass sie durch Schlafentzug gewonnen werden. Eine Sache, die ich bei meinen Teilnahmeversuchen bei GranGuanche und dem Atlas Mountain Race gelernt habe ist, dass man wirklich überall schlafen oder wenigstens ein Nickerchen machen kann. Ich habe mitten in der Wüste und auf belebten Innenstadtplätzen geschlafen – Schlaf ist Schlaf, wo auch immer du bist.
Meine letzte Reise führte mich nach Andalusien in Spanien. Diesmal ging es nicht um Rennen, Schlafentzug oder kurze Power-Naps. Ich bestimmte die Bedingungen selbst. Ich entschied, wie einfach oder luxuriös es sein sollte. Wenn jemand dir über irgendein Rennen etwas anderes sagt, nimm es nicht zu ernst. Auch wenn du im Hotel übernachtest, bleibt es Bikepacking.
Während meiner Reise nach Spanien habe ich alle erdenklichen Schlafplätze ausprobiert, von Zelten über Schutzhütten bis zu Hotels. Während dieser letzten Reise habe ich häufiger in Hotels als unter freiem Himmel übernachtet. Ist mein Bikepacking-Trip deshalb weniger abenteuerlich? Ich glaube nicht.
Lifehack 5: Iss, was du magst und wann du magst
Was man während eines Bikepacking-Abenteuers essen und trinken sollte, ist vor allem eine Frage der persönlichen Vorlieben. Wirklich wichtig ist jedoch, dass du Notfallrationen mitnimmst, falls du nicht in Bars, Cafés oder Restaurants einkehren kannst oder vielleicht auch willst. Vielleicht sind die Öffnungszeiten ungünstig, der Ort zu abgelegen oder du bist wählerisch. Dennoch findest du an den meisten zivilisierten Orten etwas zu essen. Selbst in den abgelegensten Gegenden Südspaniens gibt es in den meisten verschlafenen Dörfern eine Art Gemischtwarenladen - und es gibt immer eine Bar, in der du einen kleinen Snack zu deinem Bier genießen kannst.
Einmal fuhren wir durch den letzten Ort des Tages vor unserem Nachtlager draußen in der Wildnis und mussten feststellen, dass es dort keinerlei Lebensmittel zu kaufen gab. Das einzige Hotel der Stadt war geschlossen, und die einzige Bar hatte keine Speisekarte. Nachdem wir unsere Situation erklärt hatten, eilte der Besitzer der Bar zu seinem Haus auf der anderen Straßenseite und kam mit ein paar im Ofen gebackenen Pizzen zurück, die er zuvor in einem Supermarkt gekauft hatte. Er berechnete uns so gut wie nichts – das zeigt, dass es überall hilfsbereite Menschen gibt. Die Lektion: Setze dich nicht unter Stress wegen des Essens. Es gibt immer etwas. Aber halte für den Fall der Fälle immer Reserven bereit!
Lifehack 6: Flexibel bleiben
Die Faustregel lautet: Es ist klug, die Route, die Übernachtungsmöglichkeiten und die Versorgungspunkte zu planen und zu kennen – aber es kann immer etwas Unerwartetes passieren: eine Straßensperrung, eine zufällige Begegnung und vieles mehr. Du kannst also nicht alles planen.
In Spanien stellten wir fest, dass wir aufgrund unseres gemächlichen Reisetempos nicht so weit vorankamen wie geplant, was das Risiko erhöhte, dass uns das vorhergesagte schlechte Wetter irgendwo im Nirgendwo treffen würde. Um das zu vermeiden, planten wir unsere Route so um, dass wir wieder in einer etwas größeren Stadt ankamen und in einem Hotel übernachten konnten. Das Gefühl, in solchen Momenten, wenn der Regen kommt, dank einer spontanen Entscheidung in Sicherheit zu sein, ist einfach großartig.
Lifehack 7: Ganz im Hier und Jetzt sein
Der beste Rat, den ich dir zum Thema Bikepacking geben kann ist, es einfach zu machen. Du kannst lesen und dich vorbereiten, so viel du willst, aber sobald du deine Ausrüstung zusammen hast, ist es das Beste, aufzusatteln und zu erleben, worum es beim Bikepacking geht. Fange klein an und unternimm eine Übernachtungstour. Oder fange ganz groß an und fahre mit dem Rad zu weit entfernten Orten, wie ich es vor einigen Jahren getan habe, als ich von den Niederlanden bis nach Rom gefahren bin.
Du kannst deine Campingausrüstung in sicherer Entfernung unweit von zu Hause testen, in einer Pension oder einem Hotel übernachten. Wenn du etwas abenteuerlustiger bist, kannst du auch in der Wildnis biwakieren. Es geht darum, die ultimative Freiheit des Radfahrens zu erleben, multipliziert mit dem unbeschreiblichen Gefühl, an ungewöhnlichen Orten aufzuwachen.
Setze dich einfach auf dein Rad und fahre los. Schon bald wirst du dein Lieblings-Setup und die für dich beste Ausrüstung herausfinden und sie so anpassen, wie es für dich ideal ist. Wie ich schon sagte, es geht nicht darum, alles von Anfang an perfekt vorzubereiten. Es geht darum, rauszugehen und zu erleben. Und ich hoffe, es wird ein tolles Erlebnis für dich!